Eine Woche Archion – The Good, the Bad and the Ugly

An overview on Archion for English speaking readers: Archion in a nutshell.

Hinweis: Dieser Übersichtsartikel entstand zu einem frühen Zeitpunkt der geschlossenen Beta-Phase von Archion. Spätere Entwicklungen und Änderungen am Portal sind am Ende des Beitrags in der Rubik → Ergänzungen zusammengefasst.

Die erste Woche der Beta-Phase von Archion, vormals als Kirchenbuchportal bekannt, neigt sich ihrem Ende entgegen. Mittlerweile müsste es 70 Beta-Tester geben, doch hört man vergleichsweise wenig über deren Eindrücke. Deshalb an dieser Stelle einige Worte über den bisherigen Stand des Projektes:

The Good

Zugewiesene Besuchstermine, abgenutzte Mikrofilm-Arbeitskopien, alte Lesegeräte und lange Wege – die Kirchenbuchrecherche im Archiv kennt viele Hindernisse. Die Online-Recherche im Kulturgut Kirchenbuch war hierzulande überfällig. Für den betriebenen Aufwand und das wirtschaftliche Risiko gebühren Archion Vorschusslorbeeren. Doch wie schlägt sich die Seite im Beta-Test?

Layout

Die Startseite von Archion präsentiert sich freundlich in Blautönen, die Gestaltung ist zeitgemäß. In den von mir getesteten Desktop-Browsern in der jeweils aktuellen Version fallen keine größeren Probleme in der Basis-Ansicht ins Auge. Für Mobilgeräte scheint die Seite nicht optimiert zu sein, weder passt sich die Darstellung an den Bildschirm an, noch ist sie fehlerfrei. Hier besteht Verbesserungspotential, vor allem für Tablets.

Die Startseite von Archion (Bildquelle: archion.de)

Die Startseite von Archion (Bildquelle: archion.de)

Archivalien finden

Der Zugang zu den digitalisierten Verfilmungen erfolgt über „Suche“ oder „Browse“. Wie im Vorfeld wiederholt bestätigt, können auch nicht angemeldete Nutzer nach Beständen suchen.

Suche

In der Suchansicht kann man über das Feld Freitext nach Orten und später auch nach transkribierten Personendaten suchen. Das Feld Geo-Lokation ermöglicht eine Suche nach Orten. Schon nach wenigen Buchstaben werden Suchvorschläge, gruppiert nach Archiv, geliefert. Dies funktioniert sehr gut, während die Freitext-Suche eingestellte Daten teilweise nicht zu finden scheint.

Die Suche kann nach Zeitraum, Quelle (etwa „Register“, „Digitalisat“, „User-Generated-Content“) und Registerart eingeschränkt werden. Eine nachträgliche Filterung der Suchergebnisse über An- oder Abwahl von Filtern scheint derzeit nicht möglich zu sein. Weiterhin fällt auf, dass etwa bei der alleinigen Suche nach Registern in der Ergebnisrubrik Digitalisate der Hinweis Es wurden keine Einträge gefunden erscheint, auch wenn dort gar nicht gesucht wurde und Digitalisate vorhanden sind. Neben der sperrigen und missverständlichen Feldbezeichnung Geo-Lokation sollte hier nachgebessert werden.

Die Suche von Archion (Bildquelle: archion.de)

Die Suche von Archion (Bildquelle: archion.de)

Browse

Bei der Recherche über Browse (auch als Durchsuchen bezeichnet), wählt der Nutzer hingegen ein Archiv aus und gelangt über den Kreis und den Ort (oder direkt über den Ort) zur jeweiligen Gemeinde. Die zur Gemeinde gehörigen Archivalien werden aufgelistet, bei Vorhandensein eines Digitalisats ist der Bestand grün unterlegt. Auf Kreis- oder Ortsebene gibt es keinen Hinweis darauf, ob digitalisierte Bestände zur Verfügung stehen.

Durchsuchen bei Archion (Bildquelle: archion.de)

Browse-Funktion bei Archion (Bildquelle: archion.de)

Archivalien betrachten

Hat man nun über Suche oder Browse das gewünschte Digitalisat gefunden, öffnet sich eine Übersichtsseite auf welcher erneut der Zeitraum der abgedeckten Einträge genannt wird. Die Hinweise zu Konfession oder Quelle werden bisher mit Platzhaltern gefüllt. Hier könnten beispielsweise auch noch Zitiervorlagen oder dauerhafte Links auf das Digitalisat ihren Platz finden.

Nach einem Klick auf „Im Viewer anzeigen“ öffnen sich die eigentliche Anzeige der Digitalisate. Auf der linken Seite befindet sich eine schmale Seitenübersicht, auf der rechten Seite das Dokument. Die jeweilige Doppelseite kann in vier Zoomstufen angezeigt werden, diese werden ebenso wie die Möglichkeit das Dokument zu drehen oder die Helligkeit der Anzeige zu ändern in einer schmalen Fußleiste angeboten. Der Ausschnitt kann mittels Cursor verschoben werden.

Dokumentenansicht bei Archion (Bildquelle: archion.de)

Dokumentenansicht bei Archion (Bildquelle: archion.de)

Oberhalb des Dokuments gibt es weiterhin folgende Buttons:

  • Info (Anzeige von Meta-Informationen)
  • Feedback (Möglichkeit für Rückmeldung, etwa über die Qualität des Scans)
  • Download (Download des Ausschnitts als pdf-Datei)
  • Bookmark
  • Permalink (erzeugt einen dauerhaften Link zur Seite) sowie
  • ein Lupensymbol, was derzeit funktionslos zu sein scheint.

Beim Klick auf jeden der Knöpfe öffnet sich links der Dokumentenanzeige ein Menü, was die entsprechenden Funktionen anbietet. Die Kirchenbuchseite wird dazu verschmälert. Dies gilt auch für die Funktion Verlinkungen & Transkriptionen, über die im ersten Schritt eine Markierung ergänzt, im zweiten Schritt die Art der Markierung festgelegt und im dritten und letzten Schritt Details zu dieser Markierung ergänzt werden können.

Qualität der Digitalisate

Wer einmal im Archiv oder in einer Forschungsstelle der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage Kirchenbücher als Mikrofiche oder Mikrofilm am Lesegerät eingesehen hat, wird von der Qualität der digitalisierten Mikroformen angenehm überrascht sein. Es war bereits angekündigt worden, dass qualitativ höherwertige Masterfilme zur Digitalisierung verwendet werden sollen. Die Auflösung der von mir eingesehen Digitalisate würde ich als „gut“ bezeichen, auch wenn sie nicht an moderne Digitalisate mit hochauflösenden Kameras heranreicht. Ob alle eingestellten Dateien qualitativ überzeugen können und wie die Qualität bei sehr alten Kirchenbuchvorlagen ist, muss sich zeigen.

Sonstiges

Neben diesen wichtigsten Funktionen bietet die Seite noch ein einfaches Forum, eine Hilfe-Rubrik sowie einige allgemeine und eher oberflächlich gehaltene Hinweise zur Kirchenbuchrecherche und Ahnenforschung.

The Bad

Im Archion-Forum wurde wiederholt Kritik geäußert, dass die Dokumente entweder zu groß (d.h. nur ausschnittsweise) oder zu klein (vollständig, aber nicht gut lesbar) angezeigt werden. Dieser Kritikpunkt ist berechtigt: Nur ein Bruchteil der zur Verfügung stehenden Fläche wird zur Anzeige des Kirchenbuches genutzt und diese Fläche wird durch die Nutzung von den oben aufgelisteten Funktionen wie Verlinkungen & Transkriptionen noch weiter eingeschränkt.

An vielen Stellen finden sich noch Platzhalter, gelegentlich führen Aktionen zu Fehlermeldungen und einiges an Funktionalität (Transkription) wurde auch noch nicht umgesetzt.

Die Performance der Seite ist erwartungsgemäß noch nicht überzeugend, dies liege laut Archion auch am laufenden Import weiterer Digitalisate (Nach einer Aussage im Forum werden derzeit etwa neun Bilder pro Sekunde ergänzt, also einige hunderttausend Seiten pro Tag. Auf einen Großteil der verzeichneten Bestände kann bisher nicht zugriffen werden.) Bis ein Bildausschnitt in der höchsten Zoomstufe vollständig geladen ist, vergehen derzeit etwa zehn Sekunden. Der Wechsel zwischen Seiten dauert noch länger. Hier sollte eine Geschwindigkeit angestrebt werden, die mit dem schnellen Durchmustern eines Mikrofilms vergleichbar ist.

Welches Darstellung und welche Funktionen der Forschung dienlich sind und auch was derzeit nicht funktioniert, sollte im Archion-Forum zum Ausdruck gebracht werden. Bisher beteiligt sich dort nur ein geringer Teil der zum Beta-Test eingeladenen Personen.

The Ugly

Kehren wir für ein vorläufiges Fazit zurück zur Anzeige von Dokumenten bei Archion:

Der Bildschirmbereich zur Anzeige von Kirchenbuchseiten ist so gewählt, dass kein Dokument lesbar und zugleich vollständig angezeigt wird. Ein schnelles Durchblättern auf der Suche nach einem Eintrag ist so unmöglich. Eine integrierte Vollbild-Funktion sucht man vergebens. Nutzt man die Vollbild-Funktion des Browsers, so darf man sich über mehr Beiwerk („Impressum“) freuen, aber nicht über mehr Platz für die Kirchenbuchseite.
Ein letzter Versuch gilt der Download-Funktion: Hier muss doch an eine vollständige Seite zu kommen sein, die abgespeichert und der eigenen Forschung beigeordnet werden kann – mit Seitenzahl des Buches, der Jahreszahl zu Seitenbeginn, dem vollständigen Eintrag über eine Doppelseite und dem ausladenden Gekritzel des Pfarrers. Doch weit gefehlt: Neben einem kurzen Hinweis auf das zugrundeliegende Kirchenbuch, die Website des Anbieters und einem dominanten Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Archion (bisher führt der Link ins Leere …) füllt eben jener Ausschnitt, der bereits am Bildschirm bestaunt werden durfte, ein mageres Sechstel der Seite. Damit mit diesen Ausschnitten kein Schabernack getrieben wird, ist die Anzahl an Downloads limitiert.

Download-Resultat bei Archion (Bildquelle: archion.de)

Download-Resultat bei Archion (Bildquelle: archion.de)

In den Digitalisaten des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sowie des Evangelisches Zentralarchivs Berlin prangt darüber hinaus in der Mitte der Doppelseite ein Hinweis in großen Lettern auf die entsprechende Einrichtung. Im Falle von Hessen und Nassau darf auch ein Logo nicht fehlen. Die anderen Kirchen scheinen zumindest nach meinen Stichproben auf ähnliche Hinweise mitten im Bild zu verzichten.

Ein Maß für das Kirchenbuchportal/Archion waren für viele Nutzer Archivprojekte wie etwa Porta fontium, wo u. a. böhmische Matriken als hochauflösende Fotografien kostenlos eingesehen werden können. Die Finanzierungsfrage eines Portals wie Archion soll an dieser Stelle nicht erneut aufgeworfen werden, für mich ist sie seit langem zugunsten eines kostenpflichtigen Zugangs beantwortet, wenn das der zur Digitalisierung führende Weg ist. Auch eine erneute Verfilmung bereits als Mikroform vorliegender Kirchenbücher nach heutigen Ansprüchen wird Jahre oder eher Jahrzehnte auf sich warten lassen.

Bei Archion wird zum jetzigen Zeitpunkt leider folgendes praktiziert: Der Scan eines Mikrofilms, der die Details und Eigenheiten des Originals nur bedingt erfassen kann, wird auf eine Art und Weise zur Verfügung gestellt, die selbst über die Einschränkung vieler Mikrofilmlesegeräte hinausgeht: Ein Betrachten und Lesen kompletter Kirchenbuchseiten ist auch über Umwege nicht möglich.

Die Konsequenz, mit der diese Einschränkung bei Anzeige und Download umgesetzt wird, lässt vermuten, dass es sich um eine bewusste Entscheidungen zu Ungunsten des Nutzers handelt. Die Motivation? Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sich die Archive Zugeständnis dieser Art für einer Teilnahme ausbedungen haben und auch Archion selbst eine restriktive Anzeige favorisiert. Es hält sich der Glaube, dass Nutzer von Digitalisierungsprojekten petabyteweise Daten abgreifen und dann nie wiederkommen. Nach dieser Annahme müssen die Daten „geschützt“ werden. Darunter leiden – und auch das ist bei Digitalisierungsprojekten wahrlich nichts Neues – oft genug der Nutzen und auch die Attraktivität des Angebots. In diesem Rahmen möchte ich kaum darüber nachdenken, worauf der Eintrag „Abzug/Urkunde“ in der Feedback-Rubrik zu einer jeden Kirchenbuchseite abzielt. Kopien der kompletten Seite als zusätzliche Archivleistung?

Zum Abschluss im Vergleich: Ein Digitalisat von Porta fontium und eines von Archion. Beide im Vollbild-Modus des Browsers mit dem Ziel einer möglichst großen, gut leserlichen Darstellung der kompletten Doppelseite auf einem 15,4″-Notebook-Display (klicken zum Vergrößern):

Kirchenbuch Abertham (Bildquelle: Porta fontium)

Kirchenbuch Abertham (Bildquelle: Porta fontium)

Kirchenbuch Rosengarten-Doben (Bildquelle: archion.de)

Kirchenbuch Rosengarten-Doben (Bildquelle: archion.de)

Archion ist derzeit auf einem guten Weg, den Kunden maximal einzuschränken.

Die Unternehmung ist verdammt dazu, ein Erfolg zu werden, für die evangelische Kirche ebenso wie für Genealogen. Sollte dieser Erfolg ausbleiben, die Plattform sich nicht selbst tragen, so wird es auf Jahre hinaus keine digitalisierten Kirchenbücher geben.

Ein erster Schritt wäre eine vernünftige Anzeige der digitalisierten Dokumente.

Ergänzungen

Aktualisierung 20. Dezember 2014

Seit dem 12. Dezember 2014 ist der Zugriff auf die Plattform für alle Interessierten möglich, der Zugriff auf Digitalisate bleibt Teilnehmern des Beta-Programms vorbehalten. Damit kann nun jeder die Seite anschauen und sich einen Überblick über die verfügbaren Bestände verschaffen (Archion-Blog-Beitrag: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.).

Der Import von Digitalisaten dauert an, einen Überblick über ausstehende Importe bietet der o.g. Blog-Beitrag.
Die tagesaktuelle Information über einen erfolgten Import und damit die Zugriffsmöglichkeit auf ein bestimmtes Kirchenbuch scheinen weiter ein dringliches Anliegen vieler potentieller Nutzer zu sein, haben aber mit der Zielsetzung eines solchen Testlaufes nichts zu tun.

Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass derzeit weder alle Landeskirchen an Archion beteiligt, noch von allen beteiligten Archiven sämtliche Kirchenbücher digitalisiert sind. Von den beteiligten Kirchen werden – wie seit Monaten bekannt – nach Abschluss des Imports etwa 30% der überlieferten Kirchenbücher auf Archion zur Verfügung stehen.

Archion hat sich der vielfach vorgebrachten Kritik an der Dokumentenanzeige angenommen und den Betrachter („Viewer“) überarbeitet (Archion-Blog-Beitrag: Größerer Viewer ins Live System übernommen).

Was hat sich geändert? Die zur Betrachtung zur Verfügung stehende Fläche ist breiter geworden. Mehr Platz in der Breite ist insbesondere bei Kirchenbüchern neueren Datums, deren Einträge quer über eine Doppelseite laufen, von Nutzen. Erfreulicherweise wird die gewählte Vergrößerung nun beim Blättern beibehalten.

Zur Illustration greife ich erneut auf ein Bildschirmfoto des Kirchenbuchs Rosengarten-Doben zurück, als Vergleich dient die alte Anzeige weiter oben im Beitrag. Zielsetzung war, im Vollbild-Modus auf einem 15,4″-Notebook-Display eine komplette Doppelseite anzeigen zu lassen:

Kirchenbuch Rosengarten-Doben (Bildquelle: archion.de)

Kirchenbuch Rosengarten-Doben im neuen Betrachter (Bildquelle: archion.de)

Im Beispiel wird bei der nächsthöheren, lesbaren Zoomstufe nicht mehr die komplette Seite, sondern nur noch ein Ausschnitt angezeigt.

Mit der ersten Anpassung der Oberfläche reagiert Archion dankenswerterweise auf die Kritik von Beta-Testern. Bei weiterhin nicht stufenloser Vergrößerung der Digitalisate und insbesondere fehlender Vergrößerung der Anzeigefläche in die Höhe bleibt aber letztlich vieles beim Alten: In der Regel keine Anzeige kompletter und vom Vergrößerungsfaktor her lesbarer Seiten. Entweder ist der Zoom-Faktor zu groß oder zu klein. Das Scrollen geht weiter. Die Plattform bleibt hinter den Möglichkeiten des Mediums zurück.

Warum das so ist, welchen Einfluss die beteiligten Archive auf die Anzeige der Digitalisate haben, scheint mir die dringlichere Frage zu sein als jene nach der Verfügbarkeit eines bestimmten Kirchenbuchs.

Aktualisierung 16. März 2015

Ein Auszug aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Archion, Stand 16. März 2015:

„5.1. Der Nutzer verpflichtet sich, es zu unterlassen (…) c) die von Anbieter zur Verfügung gestellten Inhalte und Datenbanken über die von Archion angebotenen Funktionen hinaus zu vervielfältigen, zu bearbeiten, öffentlich zugänglich zu machen oder anderweitig zu nutzen, ohne dass ihm vom Anbieter die dafür erforderlichen Nutzungsrechte eingeräumt wurden.“

Mit dieser Klausel untersagt die Kirchenbuch GmbH im wesentlichen die kollaborative Forschung (etwa Hilfe beim Entziffern in externen Foren) und die Präsentation genealogischer Forschungsergebnisse sowohl online als auch in Print unter Verwendung von Kirchenbuch-Reproduktionen. Nach fehlender Speicherfunktion zugunsten einer eingeschränkten Downloadzahl, Wasserzeichen und insbesondere eingeschränkter Anzeige von Digitalisaten ist das eine weiterer Abstrich für den Kunden. Nach Kritik an diesen restriktiven Bedingungen im Archion-Forum steht seit zehn Tagen eine Reaktion der Betreiber aus. Es darf bezweifelt werden, dass man über die Kapazitäten verfügt, zahlreiche Anfragen zur Einräumung von Nutzungsrechten für letztlich banale und wirtschaftlich irrelevante Weiternutzungen gemeinfreier Inhalte zu bearbeiten. (Siehe zu diesem Punkt auch die Aktualisierung vom 20. März 2015 für konkurrierende Angaben zu Nutzungsrechten von Downloads.)

In denselben AGB räumt der Nutzer für eigene hochgeladene Inhalte dem Anbieter übrigens insbesondere das Recht ein

„die Inhalte oder Ausschnitte davon zum Zwecke der redaktionellen Berichterstattung über Archion, sowie zur Bewerbung der Plattform in beliebigen Medien, insbesondere über den von Archion versandten Newsletter, zu verwenden und die hierfür erforderlichen Vervielfältigungen vorzunehmen sowie Dritten die hierfür benötigten Nutzungsrechte einzuräumen“ (7.6d)


Aktualisierung 19. März 2015

Zu Beginn dieses Textes hatte ich die Vermutung geäußert, dass manche einschränkende Aspekte von Archion bewusst nach Maßgabe der beteiligten Kirchen umgesetzt worden sind. In einer aktuellen Ausgabe der Computergenealogie (Computergenealogie 1/2015, S. 28) bestätigt der Geschäftsführer der Kirchenbuchportal GmbH, Herr Harald Müller-Baur, dies in Hinblick auf die Download-Funktion. Mit dieser können nur Ausschnitte heruntergeladen werden. „Das haben die Landeskirchen, also die Gesellschafter, gemeinsam so entschieden. Es besteht die Sorge, dass sonst Daten in größerem Umfang unberechtigt abgegriffen werden.“ Hoffnung, dass hier ein Umdenken zugunsten des Kunden einsetzt, sollte man sich nicht machen. Müller-Bauer weiter: „Das wird so bleiben.“
Ein von mir bearbeitetes Kirchenbuch eines 200-Seelen-Dorfes kommt auf 1400 Seiten vom Dreißigjährigen Krieg bis 1875. Diese „abzugreifen“ würde selbst bei einer vollwertigen Downloadfunktion schwierig werden: Mit dem Jahrespass für 178,80 EUR dürfen 600 Einträge heruntergeladen werden. Das „Abgreifen“ wäre eine kostspielige, zeitaufwändige und unkomfortable Angelegenheit, vom nicht erkennbaren Missbrauchspotential ganz zu schweigen: In Archiven einer an Archion nicht beteiligten Landeskirche kann man für eine Fotopauschale Seiten vom Lesegerät abfotografieren. Dies wird im wesentlichen benutzt, um Belegabzüge für die eigene Forschung anzufertigen. Es gibt weder einen „Markt“ für solche abfotografierten Seiten, noch Veröffentlichungen ganzer Kirchenbücher.


Aktualisierung 20. März 2015

Archion geht in den Betrieb, ab sofort ist eine Anmeldung für jeden möglich.

Zur Weiternutzung der Inhalte finden sich unter Punkt 9.3.4. und 9.3.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nunmehr folgende Angaben:

„Für eine Nutzung außerhalb der Browserumgebung können die digitalen Inhalte in dem vertraglich vereinbarten Umfang als PDF-Dokument heruntergeladen werden. (…)“

„Einzelne digitale Inhalte, die vom Nutzer mit Hilfe der Downloadfunktion in dem vertraglich vereinbarten Umfang heruntergeladen wurden, unterliegen keiner Nutzungsbeschränkung seitens des Anbieters.“

Wenn ich diese Klauseln in Verbindung mit Punkt 5.1. (s.o.) richtig deute, so muss einem weitergenutzten Inhalt eine Verwendung der Download-Funktion zugrunde liegen, das Anfertigen von Screenshots und andere Möglichkeiten des Speicherns sind untersagt. Die Formulierung „Einzelne digitale Inhalte“ bleibt vage.


Aktualisierung 22. März 2015

Ergänzungen listet Archion jetzt auf der Seite Neue Digitalisate.


Aktualisierung 29. September 2015

Die Seite kirchenbuchportal.de ist offline und mit ihr auch der Blog aus der Frühphase von Archion. Zahlreiche Links, etwa zu den teilnehmenden Kirchen samt Karte oder zur Digitalisierung führen ins Nichts. Verschwunden sind auch hunderte Kommentare von Nutzern zu den Blog-Beiträgen – Fragen, Anmerkungen und Kritik.

Auf der Seite archion.de findet sich derzeit kein Ersatz für die gelöschten Inhalte, selbst eine Übersicht der teilnehmenden Einrichtungen fehlt dort.

Ein halbes Jahr nach dem Beginn des offiziellen Betriebs bleiben redaktionelle Inhalte Mangelware auf Archion. Nicht einmal die Pressemitteilung zum Start ist nachzulesen. Der größte Teil der Anfragen an die Betreiber im Forum bleibt unbeantwortet, die im Juni verkündeten Maßnahmen „um auf die Nutzer adäquat zu reagieren“ lassen weiter auf sich warten. Trotz des enormen Interesses aus Übersee prangt auf praktisch jeder Seite der Satz „The english version is not available yet“.

Im Hintergrund wurden zahlreiche Digitalisate importiert. Einen komfortablen Überblick über den Import-Status gibt es nicht, ebenso wenig wie Ankündigungen zu weiteren Import-Plänen. In einem externen Forum sammeln Nutzer Hinweise aus anderen Quellen auf weitere Importe (Ausblick/Zeitplan: Zukünftige Digitalisierung von Kirchenbüchern durch die Archive für Archion). Neuigkeiten zu weiteren Partnerarchiven gibt es nicht.

Technisch gibt es keine neuen Aspekte. Der Betrachter ist der alte, mit allen bekannten Einschränkungen und Nachteilen.


Aktualisierung 18. Oktober 2015

Es gibt Nutzerzahlen zu Archion aus dem Evangelischen Sonntagsblatt: 3700 angemeldete Nutzer, davon rund 1000 mit kostenpflichtiger Mitgliedschaft. 2000 Nutzer seien für ein sich selbst tragendes Portal notwendig.

8 Gedanken zu “Eine Woche Archion – The Good, the Bad and the Ugly

  1. Hallo, super und vielen Dank für den frühen Einblick, da kann man ja nur hoffen das da noch etwas getan wird… (wofür ja auch schließlich die Beta-Phase da ist)… hoffentlich bringen sich viele aktiv ein :)

  2. Ein hoch kritischer, konstruktiver Bericht über die ß-Phase des Kirchenbuchportals.
    Eine Steilvorlage für die Konstrukteure des Portals.
    Es sind alle Punkte genannt, die zu bearbeiten sind. Besser geht es nicht.
    Warten wir auf die Verbesserungen.
    Björn Scheerer

  3. Pingback: Podcast #25 Archion – Das Kirchenbuchportal, Rückblick zu Gaenovium & Famillement | der Genealoge

  4. Die Qualität der Bilder und Art des Zooms soll Absicht sein, damit niemand die Download/Abspeichergrenze von 50 x pro Monat durch Bildschirmfotos umgeht.

  5. Ein toller Beitrag den ich als Beta-Tester-Neuling nur bestätigen kann.
    Mir fiel außerdem auf, dass der Aufruf einzelner Seiten eine gefühlte Ewigkeit dauer.
    An der Qualität der Scans kann ich nicht aussetzen, die Mikrofilme der Mormonen sind teilweise schlechter.
    Auffallend ist aber der langsame Bildaufbau, und am Rechner liegt es definitiv nicht.
    Mal sehen was die nächsten Tage so bringen.

  6. Bin neu hier und versuche mit dem Programm klar zu kommen. Bisher habe ich nicht viel testen können. Als ich im Forum etwas nach fragen wollte, konnte ich die Nachricht nicht versenden. Es fehlt ein Button dafür. Mit den jetzigen Kirchenbüchern kann ich nicht viel anfangen, da das was ich verfolgen wollte nicht online ist. Aus Brandenburg gar nichts aus Berlin ganz wenige. Das der Aufbau etwas dauert kenne ich auch von ancresty. Hier zahle ich jährlich 60€. Wird hier, wenn denn mal mehr online ist teuerer werden. Wird mann dann vor erfahren was man einsehen kann bevor man bezahlt?
    Leider bin ich nicht sehr versiert mit den PC, so dass es so einfach wie möglich sein sollte.

  7. Pingback: Archion in a nutshell – German protestant parish records online | Ahnenfunde

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